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2020/07/31 EuGH-Urteil zu Suchmaschinen - Löschungsmuster der ARGE DATEN
EuGH-Urteil C-131/12 nimmt Suchmaschinen in die Pflicht - Datenschutzregeln gelten auch für international agierende Konzerne - Grundrecht auf Privatsphäre auch bei veröffentlichten Daten gegeben - Löschungsanspruch ist im Einzelfall gegen andere Grundrechte abzuwiegen - ARGE DATEN unterstützt bei Löschung - Recht auf Vergessen werden nimmt im Internetzeitalter Gestalt an

EuGH-Urteil C-131/12 nimmt Suchmaschinen in die Pflicht

Mit dem EuGH-Urteil C-131/12 hat der Europäische Gerichtshof - längst überfällig - wesentliche Klarstellungen zu den Suchmaschinenbetreibern getroffen. Suchmaschinen sind wie klassische Datenverarbeitungen organisiert und fallen vollständig unter den Anwendungsbereich der EG-Richtlinie Datenschutz 95/46/EG (http://www.argedaten.at/recht/eu.htm). Eine Position, die von der ARGE DATEN seit 15 Jahren vertreten wird. Überraschend ist eher der Zeitpunkt der Feststellungen, knapp vor Auslaufen der Datenschutzrichtlinie, aber zeitgerecht vor Verabschiedung der neuen EU-Grundverordnung Datenschutz.


Google-Suchmaschine ist personenbezogene Datenverarbeitung

Kein Google-Nutzer wird ernsthaft annehmen, dass bei seiner Suchanfrage "das Internet" in Echtzeit durchsucht wird. Dies würde etliche Wochen und nicht einige Millisekunden dauern. Tatsächlich wird von Google - auf Vorrat - der öffentliche Teil des Internets in einer Datenbank erfasst, dies passiert vollautomatisch. Diese Datenbank, die viele zehntausend Terabyte umfasst, ist wohl die größte Vorratsdatenspeicherung der Welt. Sie enthält weit mehr Informationen als der naive Benutzer bei der Suchabfrage angezeigt bekommt. Unter anderem auch wann Informationen ermittelt wurden und wie sie untereinander in Verbindung stehen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass ein derartiges System die Begehrlichkeiten von Geheimdiensten á la NSA und Co weckte.

Da diese Datenbank auch Informationen von Privatpersonen enthält, hat der EuGH in seinem Urteil klargestellt, dass die Datenschutzbestimmungen anzuwenden sind. Dem Benutzer stehen daher Auskunfts-, Löschungs- und Richtigstellungsrechte zu. Für die Beurteilung, ob Datenverarbeitung vorliegt oder nicht ist es unerheblich, ob die Daten automatisiert (wie bei Google) oder manuell ermittelt werden.

Bisher hatte Google das System so dargestellt, dass es bloß ein ungeordneter Zwischenspeicher von Informationen des Internets sei und somit Google dafür keinerlei Verantwortung habe. Mit dieser Mär hat der EuGH endgültig Schluss gemacht.


Google-Suchmaschine fällt unter die europäischen Datenschutzbestimmungen

Auch unter eine andere Google-Mär zieht der EuGH einen Schlussstrich. Das europäische Datenschutzrecht sei auf Google nicht anwendbar, da die Verarbeitung nicht in Europa passiere und die diversen Google-Niederlassungen in Spanien, Deutschland, Österreich usw bloß Vertriebsbüros für Onlinewerbung seien, ein völlig anderer Geschäftszweig von Google.

Dem entgegnete der EuGH, dass diese Europaniederlassungen jedenfalls wirtschaftlich von den enormen Fähigkeiten der Google-Suchdatenbank profitieren und sie sich daher auch die rechtliche Verantwortung zurechnen lassen müssen.

Ergänzend sei noch angemerkt, die meisten persönlichen Daten von Europäern werden von Google aus europäischen Internetdiensten und Webangeboten ermittelt. Im gegenständlichen Fall wurden Nachrichten vom Webserver einer spanischen Zeitung ermittelt und verarbeitet. Erfolgt die Ermittlung innerhalb der EU, dann fällt das jeweilige Unternehmen schon allein deswegen unter die Datenschutzbestimmungen der EG-Richtlinie.


Datenschutzrechte gelten nicht automatisch und unbedingt

Auch mit einer dritten Mär räumt der EuGH auf. Mit dem Löschungsrecht von Privatpersonen würde die Meinungsfreiheit im Internet zerstört und Zensur ausgeübt.

Hier stellt das Urteil klar, ein Löschungsrecht gibt es nicht automatisch und unbedingt, sondern es ist eine Abwägung der verschiedenen Grundrechte zu treffen. Bei reinen Privatpersonen sind strengere Maßstäbe bei der Veröffentlichung anzulegen, als bei Politikern oder (Seitenblicke-)Berühmtheiten. Weites ist auch die Aktualität von Informationen von Bedeutung. Im gegenständlichen Fall ging es um eine Jahre zurückliegende, längst abgeschlossene Zwangsversteigerung einer Immobilie einer Privatperson. Dafür gibt es kein begründbares öffentliches Interesse.

Wesentlich ist jedoch, das öffentliche Interesse ist vom Suchmaschinen-Betreiber nachzuweisen und nicht der Löschungsanspruch vom Betroffenen. Die Löschung ist somit als Normalfall, die Nicht-Löschung, das Nicht-Vergessen-Werden als begründbarer Ausnahmefall definiert. Google muss daher im Einzelfall entscheiden, welcher Datensatz gelöscht wird und welcher nicht.

Hans G. Zeger, Obmann ARGE DATEN: "Faymann, Spindelegger und Co würden mit einem Löschungsbegehren bezüglich ihrer nicht eingehaltenen politischen Versprechungen bei Google abblitzen, auch wenn sie es sich noch so wünschen. Politiker haben kein 'Recht auf Vergessen werden'."


ARGE DATEN unterstützt bei Löschung

Mindestens 100.000 ÖsterreicherInnen sind direkt von veralteten, irreführenden oder fehlerhaften Suchmaschineneinträgen betroffen.

Für die Betroffenen hat dieses Urteil die Konsequenz, dass sie sich aus der Google-Suchmaschine und auch aus allen anderen vergleichbaren Such- und Listensystemen löschen lassen können. Das Urteil geht sogar noch weiter, es ist Betroffenen möglich,  vorbeugend einen Widerspruch bei einem Suchmaschinen-Betreiber zu hinterlegen, dass für die Zukunft keine persönlichen Daten zu seiner Person verarbeitet werden.

Auf Grund des EuGH-Urteils besteht dieser Löschungsanspruch direkt gegenüber dem Suchmaschinen-Betreiber, aber auch gegenüber seinen Tochterunternehmn, die im Bereich der EU ihren Sitz haben. Konkret bei Google wären das Google Inc, USA und Google Austria, AT.

Google ist ein Meister im Verhindern von rechtlich verbindlichen Kontakten, gleichzeitig bestehen sehr komplexe und undurchsichtige Unternehmenskonstruktionen.

Die ARGE DATEN hat ein Musterschreiben entwickelt und empfiehlt es jedenfalls an folgende Einrichtungen zu senden (Angaben wurden zwar sorgfältig recherchiert aber ohne Gewähr):

Google Austria GmbH (österreichische Niederlassung)
A-1010 Wien, Graben 19/9
fon +43.1.23060.6111 fax +43.1.23060.6101 mail google-wien@google.com
Geschäftsführung: Christine Elizabeth Flores, Graham Law
HG Wien FN 265694b http://www.google.at

Google Inc. (Konzernzentrale)
USA - CA 94043 Mountain View, 1600 Amphitheatre Parkway
fon +1.650.253.0000 fax +1.650.253.0001 mail ???
Senior Manager, International Communications: Debbie Frost
fon +1.650.253.4660
http://www.google.com

Zur Sicherheit kann das Löschungsbegehren an folgende Google-Einrichtungen geschickt werden, die direkt oder indirekt für Österreich zuständig sind:

Google Germany GmbH (deutsche Niederlassung, die auch Österreichdienste betreut)
D-20354 Hamburg, ABC-Straße 19
fon +49.40.80.817.90.00 fax +49.40.49.21.91.94 mail deutsch@google.com
Datenschutzbeauftragter: Per Meyerdierks
http://www.google.de

Google International LLC (Gesellschafter der österreichischen Niederlassung)
USA - CA 94043 Mountain View, 2400 Bayshore Pkwy
fon +1.650.623.4000

Wir empfehlen ausdrücklich die postalische Zusendung, eine Zusendung per Fax kann möglich sein, von der E-Mail-Zusendung raten wir derzeit ab. Wir werden jedoch laufend über die Löschungserfahrungen berichten.

In den nächsten Wochen werden wir das Löschungsbegehren erweitern und auf andere Suchmaschinenbetreiber ausdehnen.


ARGE DATEN - Unterstützung bei Löschungsverweigerung

Sollte eine Löschung nicht wunschgemäß ablaufen, dann wird die ARGE DATEN Betroffene in Musterverfahren vertreten.

Voraussetzung dazu ist die Beachtung folgender Schritte:
- der Betroffene hat selbst schriftlich eine Löschung bei den empfohlenen Stellen beantragt (wichtig ist die Dokumentation von Einschreibbelegen, Empfangsbestätigungen usw)
- es existiert eine Ablehnung durch den Suchmaschinenbetreiber
- der Betroffene stellt der ARGE DATEN die gesamte Korrespondenz zur Prüfung zur Verfügung und erteilt eine Vollmacht für weitere Schritte

Die Form der Unterstützung wird im Einzelfall entschieden und kann die Intervention beim Suchmaschinenbetreiber genauso umfassen, wie die Einbringung einer Musterklage. Das Service ist grundsätzlich kostenlos, jedoch ist die ARGE DATEN auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zuwendungen angewiesen.


Recht auf Vergessen werden nimmt im Internetzeitalter langsam Gestalt an

Die wichtigsten Aussagen des EuGH-Urteils betreffen abstrakte Fragen der Internetgesellschaft. Was bedeutet Veröffentlichung im Internet? Was darf mit einmal veröffentlichten Daten gemacht werden? Was bedeutet ein Löschungsrecht?

Das Urteil trifft eine klare Unterscheidung zwischen dem, was eine Privatperson im Internet im Einzelfall tut bzw. tun darf, und was Unternehmen mit ihren enormen technischen Mitteln tun dürfen. Es macht einen Unterschied, ob eine Privatperson durch Recherche im Einzelfall für eigene Zwecke Informationen verknüpft und daraus Schlüsse zieht oder ob das Geschäftsmodell eines Unternehmens darauf ausgerichtet ist, systematisch Informationen zu Personen zu verknüpfen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Kurz zusammen gefasst: Die Veröffentlichung einer Information in einer "Ecke" des Internets, die vielleicht nur von ganz wenigen Personen gefunden und genutzt wird, rechtfertigt nicht automatisch die Veröffentlichung in einem anderen, mehr in der Öffentlichkeit stehenden Teil des Internets. Dem Betroffenen steht es zu, diese Verwendung von Daten, auch wenn die Daten rechtmäßig veröffentlicht sind, zu beschränken.

Eine Position die im übrigen OGH und VfGH in Österreich schon in unzähligen Urteilen zum Einsatz automatisierter Überwachungssysteme vertreten haben. Hier wurde mehrfach vom überschießenden Überwachungsdruck auf Grund der technischen Mittel gesprochen.


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